Der Freytag: Die Weimarer Klassik – Kaffeehausgedanken und die Herderkirche

Im Kaffeehaus des Grand Hotels Russischer Hof in Weimar

Ich sitze im Kaffeehaus; die Gedanken sind entkoppelt von der Welt. Weimar ist klassisch – wenn man weiß, wo man hingehen muss. Ein Tisch im Kaffeehaus des Grand Hotels Russischer Hof in Weimar ist für ein paar Stunden Refugium. Am Nachbartisch sprechen elegant gekleidete Damen über Kultur, sie passen zum Augenblick und fügen sich in das Lebensmosaik des Tages harmonisch ein. Mein Hemingway-Hut liegt auf der Chaiselongue vor mir, mein Skizzenbuch neben mir, Kuchen und das Kännchen Kaffee steht dampfend vor mir – das Leben könnte in diesem Augenblick nicht harmonischer sein; die Szenerie ist vollkommen. Ruhe; jeder hier im Raum ist elegant, weiss sich zu benehmen, man spricht gesittet, der Ober beherrscht die Etikette – es gefällt mir.

Das Wielandgut im nahe gelegenen Oßmannstedt, Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm und das Schillerhaus in der Schillerstraße liegen hinter mir, der Besuch der Herderkirche folgt nach dem Kaffeehaus-Aufenthalt. Eigentlich heißt die Kirche offiziell Stadtkirche Sankt Peter und Paul, aber der Volksmund nennt sie Herderkirche – und wir sprechen mit dem Volk, mit dem Mund des Volkes, also Herderkirche.

Die Weimarer Klassik: Wieland, Goethe, Herder und Schiller. Eine Epoche der deutschen Literatur, die mir ein wohliges Zuhause bereitet; ein Verstandenwerden in einer Zeit, die immer mehr Lücken erkennen lässt; Sprache kann Lücken schließen, sie kann Brücken bauen, Gedanken formen, Ideen wachsen lassen und auch Frieden stiften und festigen.

Die Szenerie im Kaffeehaus verblasst; es ist 17 Uhr; Zeit für einen kleinen Spaziergang durch Weimar in Richtung Kirche. Ein kleiner Umweg führt über den Theaterplatz; ich schau’ hoch zu Goethe und Schiller, das DNT wirkt im Hintergrund, die Menschen ringsum wuseln unberührt und scheinbar demutslos vor der Historie des Ortes wie Ameisen herum. »In dieser künstlichen Welt [dem Theater] träumen wir die wirkliche hinweg […]; der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eigenen aus – der Glückliche wird nüchtern und der Sichere besorgt.« (Friedrich von Schiller, Theoretische Schriften. Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?)

Es ist 18 Uhr, ich stehe auf der Rückseite der Herderkirche in Weimar; ihr 18-Uhr-Läuten ist mit eines der Schönsten, das ich bis jetzt gehört habe. – Mehr über die Kirche steht in der Video-Beschreibung unter dem Video auf Gan Jing World.

Der Link zum Video: https://ganjing.one/0dwyCT

Die Weimarer Klassik: Wieland, Goethe, Herder und Schiller

 

Anmerkung zum Kaffeehaus, zum Grand Hotel Russischer Hof in Weimar; zu den prominenten Gäste der Geschichte zählten u.a.: Hoffmann von Fallersleben, der Germanist, Dichter und Schöpfer des »Lieds der Deutschen«; Johann Wolfgang von Goethe, Weimars klassischer Dichterfürst; Franz Liszt, der große Pianist, Komponist und Dirigent; Großherzogin Maria Pawlowna, die Schwester Zar Alexander I. und Gattin des Großherzogs Carl Friedrich; Zar Alexander I., der russische Herrscher; Ernst Rietschel, der Schöpfer des Goethe-Schiller-Denkmals vor dem National-Theater; Clara und Robert Schumann, das Pianisten- und Komponisten-Ehepaar; Rudolf Steiner, Philosoph und Begründer der Anthroposophie; Theodor Storm, der große Schriftsteller; Iwan Sergejewitsch Turgenjew, der berühmte russische Schriftsteller; Giacomo Meyerbeer, Opernkomponist; Richard Wagner, berühmt als Komponist, Dramatiker, Dirigent und Regisseur!

 

Fortsetzung folgt …

S.

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